Von New Work, Human Relations und Lebensphasenflexibilität: Praxisbericht einer Digitalagentur

Mareike Lissek, Carla Hensdiek

Workshop 10:30 – 11:30 Uhr

Den Anwesenden wurde zunächst die Agentur Comspace aus Bielefeld vorgestellt. Comspace hat 45 Mitarbeiter, davon sind 23 Frauen, von denen wiederum fünf in einem technischen Bereich arbeiten. In ihrem Impulsvortrag berichteten die Referentinnen, wie die Arbeitskultur und -struktur dazu beiträgt, selbstbestimmt arbeiten und flexibel in unterschiedlichen Lebensphasen sein zu können. Es gibt flache Hierarchien im Unternehmen, viel Transparenz und Wissensaustausch.

Bewerbungen von Frauen sind bei Comspace rar. Daher beteiligten sie sich jährlich am bundesweiten Girls’Day - Mädchen-Zukunftstag. Die Teilnehmerinnen können Lichtinstallationen oder Computerspielfiguren programmieren. Als Feedback bekommt Comspace jedes Jahr die Rückmeldung, dass die Mädchen es gar nicht so langweilig finden, wie sie vorab dachten. Mareike Lissek vermutet, dass viele Mädchen ein falsches Verständnis von technischen Berufen haben. Sie denken, dass sie nur vor dem Computer sitzen und sich zum Nerd entwickeln werden. Aktionen wie der Girls’Day können Vorurteile abbauen. Des Weiteren beteiligt sich Comspace beim Mentoring-Projekt „Girls for IT“ und in einem eigenen Female Professional Netzwerk. In Stellenanzeigen werden Frauen gezielt angesprochen. Ein Beispiel für eine weibliche Karriere bei Comspace ist der Aufstieg von der studentischen Hilfskraft zur Entwicklerin und weiter über die Teamleiterin zur Organisationsentwicklerin.

Im anschließenden World-Café wurden in zwei Gruppen die Themen Recruiting und Retention Management von Frauen in der IT weiter beleuchtet.

Um weibliche Fachkräfte zu halten (Retention Management) hat das Unternehmen flache Hierarchien. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben keine Positionen, sondern Rollen. Es gibt autarke Teams und einen täglichen 15-minütigen Wissensaustausch („ask me anything“). Flexibel sind die Wochenarbeitszeiten, die Kernarbeitszeiten, die Vertrauensarbeitszeit, der selbstorganisierte Urlaub in den Teams und die Home-Office-Regelungen. Es gibt individuelle Weiterbildungsangebote und ein berufsbegleitendes Studium kann ermöglicht werden.

Beim Thema Recruiting setzt Comspace auf die Formulierung und Ansprache auf Karriereseiten, auf Role Models im Unternehmen und auf die Ansprache von Quereinsteigerinnen. Außerdem nutzt das Unternehmen Kontakte zu Schulen und Hochschulen und versucht Netzwerke zu schaffen, indem es proaktiv anspricht.

Im World-Café fand der Austausch an zwei Stellwänden zu den Fragen „Wie können wir unsere Sichtbarkeit bei den weiblichen Fachkräften erhöhen und sie für uns gewinnen (Recruiting)?“ und „Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle bei der Bindung von weiblichen Fachkräften (Retention Management)?“ statt. Kritisch betrachtet wurde, dass das Unternehmen keine älteren Menschen anspricht und einen geringen Frauenanteil hat. Es wurde der Vorschlag gemacht, ob Vorstellungsgespräche nicht entfallen und stattdessen pauschal Frauen eingestellt werden könnten. Weitere Vorschläge waren Teilzeit-Vorstände, Frauenruheräume (z. B. zum Stillen), Anti-Bias-Trainings und Gehaltstransparenz. Ebenfalls vorstellbar fanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Einstellung nach Aktenlage, ohne zu wissen welches Geschlecht die oder der Bewerber/in hat.

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