Modellprojekt Reallabor: Wie Unternehmen praktisch von Geschlechterforschung profitieren

Michael Ahmadi, Anne Weibert, Corinna Beckmann, Laura Esser

(Universität Siegen/ Ubisoft BlueByte)

Workshop 14:45 – 16:15 Uhr

Die Referentinnen und Referenten begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Der Workshop zum „Modellprojekt Reallabor“ ist eine Reihe, die seit dem ersten GEWINN-Fachtag durchgeführt wird.

Michael Ahmadi und Anne Weibert betreuen die sechs Reallabore. Eins davon findet in Kooperation mit dem Unternehmen Ubisoft statt, bei dem Corinna Beckmann und Laura Esser arbeiten. Ubisoft hat etwa 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit und entwickelt Spiele wie „Die Siedler“ und die „Anno“-Reihe. Bei den Reallaboren geht es darum, genderrelevante Fragestellungen in Unternehmen in einem kollaborativen Prozess zu bearbeiten. Die Forscher/innen beobachten zunächst den Status Quo, darauf folgt eine Reflexion gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aus der Interventionen abgeleitet werden. Das Ganze wiederholt sich in einem iterativen Prozess. Die Fachtage ermöglichten einen zusätzlichen Austausch. Die verwendeten Methoden im Reallabor sind hauptsächlich Beobachtungen und Interviews. In Fokusgruppen wird auf Basis der gesammelten Daten in einem größeren Kreis diskutiert. Bei Ubisoft lautete die Kernfrage: „Wie können wir Frauen für die Games-Branche gewinnen, sie fördern und entwickeln?“ Es wurden vier relevante Phasen identifiziert, die chronologisch auf dem Prozess aufbauen, den eine neue Mitarbeiterin/ ein neuer Mitarbeiter im Unternehmen durchläuft:

  1. Wie werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf das Unternehmen aufmerksam? Wie sehen die Stellenausschreibungen aus?
  2. Onboarding 
  3. Skill-Management
  4. Karriereförderung

Anhand von Zitaten aus den Interviews einerseits mit Mitarbeiterinnen und andererseits mit Studentinnen vermittelten die Referentinnen und Referentinnen ein Gefühl dafür, wo die Probleme liegen und welche Erwartungen an Unternehmen gestellt werden. Es wurde deutlich, dass Frauen mit mehreren Dilemmata bzw. Barrieren konfrontiert sind :

  • Widersprüchliche Genderrollen (pushy, bitchy, feminin vs. maskulin)
  • Wunsch, die eigene Karriere zu fördern
  • Sich der eigenen Möglichkeiten überhaupt bewusst zu sein
  • Zeit und Projektrestriktionen
  • Ein angenehmes Arbeitsumfeld vorfinden
  • Verantwortlichkeiten übernehmen

Anschließend folgte eine Gruppenarbeit, in deren Rahmen Ideen zu den folgenden Themenbereichen gesammelt werden sollten:

  1. Training und Weiterbildung
  2. Hygiene im Unternehmen (Was wird gebraucht, um sich wohlzufühlen?)
  3. Social Responsability
  4. Retention: Identifikation und Bindung zum Unternehmen aufbauen

Folgende Gedanken diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

Trainings und Weiterbildung:

  • Es wird Frauen z. T. negativ ausgelegt, wenn sie an Frauenförderungsmaßnahmen teilnehmen; es sollte also besser verschiedene Angebote für alle geben
  • Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten pro Monat einen gewissen Freiraum bekommen, den sie zu ihrer eigenen Weiterbildung nutzen können --> schafft Legitimation, niemand muss sich rechtfertigen
  • Obligatorische Fortbildungen (feste Anzahl für alle im Jahr, damit sich keiner schlecht fühlt, daran teilzunehmen)
  • Gamification/ Wettkampf um Fortbildungen --> positive Verstärkung
  • Umfragen zum Fortbildungsbedarf
  • Variationen im Format und Länge

Hygienefaktoren

  • Professionellen Rahmen für Karriereförderung einhalten (nicht am Stammtisch, auf der Geschäftsreise etc. besprechen; „Feierabendbier“Absprachen unterlassen)
  • Respekt und Wertschätzung dürfen nicht Fall fehlen
  • Vertrauen (Must-Have oder Nice-To-Have?)
  • Transparenz
  • Führungskräfte müssen vorleben und sich an ethische Grundsätze des Unternehmens halten
  • Teilzeitmöglichkeiten ohne Begründung, unkomplizierter Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit
  • Raum für soziale Interaktionen
  • FeedbackMöglichkeiten
  • Vertrauenspersonen
  • Vereinbarkeit mit Familie und Freizeit

Social Responsability

  • Betriebskindergarten
  • Mülltrennung/ Umweltfreundlichkeit
  • Teilzeit/ flexible Arbeitszeitmodelle
  • ÖPNVTickets, Fahrräder
  • Sponsoring von sozialen Projekten und Events
  • Ethische Wahl der Geschäftsfelder sowie partnerinnen und -partner
  • Nachhaltige Unternehmensziele, messbar und transparent
  • Spenden statt Werbegeschenke
  • Engagement für den Nachwuchs in der Branche

Beim Thema "Social Responsability" fürchten viele Unternehmen hohe Kosten. Die Literatur zeigt allerdings, dass die dauerhaften positiven Effekte die Einbußen deutlich übersteigen.

Die Referentinnen und Referenten bedankten sich für die Diskussionen und den Input. Die Erkenntnisse des Workshops werden im Rahmen des Reallabors weiter genutzt.

GENDER//WISSEN//INFORMATIK" in den soziale Netzwerken