Ambivalente Berufs- und Geschlechtervorstellungen junger Softwareentwickler/innen

Dr. Bianca Prietl

(TU Darmstadt)

Vortrag 9:45 – 10:45 Uhr

Das berufliche Selbstverständnis von Softwareentwicklerinnen und -entwicklern stand im Mittelpunkt des Vortrags von Bianca Prietl. Hierbei legte sie dar, wie fachlich-berufliche Orientierungen mit sozialen Geschlechterrollen verknüpft sind, um somit ihre Untersuchungen zu technikwissenschaftlichen Fachkulturen zu bereichern. Zur theoretischen Perspektive stellte sie das Paradigma der Ko-Konstruktion von Technik und Geschlecht nach Wajcman (2002) vor anhand der Technikartefakte Bohrmaschine und Handmixer, die jeweils männlich und weiblich konnotiert sind. Neben der materiellen Dimension werden Handlungs- und Wissensdimensionen ebenfalls angesprochen.

Das technikwissenschaftliche Wissen ist sozial konstruiert und von Geschlechtervorstellungen durchzogen, berufliche Orientierungen in den Technikwissenschaften und fachliches Selbstverständnis sind zwar variabel und flexibel aber mit Vorstellungen von Männlichkeit verbunden. So sind z. B. in Malaysia Studentinnen in technischen Bereichen häufig in der Überzahl. Damit ist das Verhältnis der Geschlechter in der IT dort ein anderes als in Deutschland. Dies verdeutlicht, dass die Kultur dabei eine Rolle spielt, ob jemand für ein Berufsbild geeignet erscheint oder nicht.

Im Folgenden stellte Bianca Prietl das empirische Design ihrer Befragung vor. Sie führte insgesamt acht qualitative Interviews (mit vier Frauen und vier Männern) durch und zwei Interviews mit Expertinnen. Die Abschlüsse der Befragten unterschieden sich nach berufsbildender Schule, Fachhochschule, Studium und berufsbegleitendem Studium. Sie entstammten einer breiten Palette an Unternehmen wie Start-Up, kleineres IT-Unternehmen und IT-Abteilung in einem größeren Konzern. Die Interviews enthielten drei Themenblöcke: Im ersten Themenblock wurden die Personen nach ihrem berufsbiographischen Werdegang, im zweiten nach ihrem Berufsalltag und ihren Berufsvorstellungen, im dritten nach ihrem Verhältnis zu Informatik und Geschlecht befragt. Die Analyse der Daten erfolgte anhand der Fragestellung: Wo und wie werden Geschlechter unterschieden und Deutungen von Geschlecht mit Berufsvorstellungen verbunden?

Ein Kernergebnis der Untersuchung von Bianca Prietl ist, dass sowohl die Berufs- als auch Geschlechtervorstellungen der jungen Entwicklerinnen und Entwickler von Software ambivalent sind. Anhand der vorgestellten wörtlichen Auszüge aus den Interviews und dem Fokus auf den Widersprüchen war dies deutlich erkennbar. Einerseits wird gesagt, dass der Berufsalltag technische und sozial-kommunikative Aspekte hat, andererseits wird das Berufsbild in der Vorstellung eng technizistisch beschrieben. Für die eigene Subjektkonstruktion bietet die Gleichsetzung des Technikers mit einem sozial schwachen Nerd eine Negativfolie. Es findet infolgedessen eine Konnotation Technik = männlich, Frauen = Soziales statt.

Die strukturelle Unterrepräsentanz von Frauen in der IT wird als Ausdruck ihres geringen Technikinteresses gedeutet. Da Frauen als sozial-interaktiv wahrgenommen werden im Gegensatz zu abstrakt-theoretisch, seien sie daher dann auch weniger technisch interessiert. Festzuhalten ist, dass zwar inhaltlich variable Ausprägungen von Berufsvorstellungen vorhanden sind, zugleich aber ein symbolischer Ausschluss von Frauen stattfindet.

Abschließend schlägt Bianca Prietl vor, dass die Berufsvorstellungen und ihre Verknüpfung mit Geschlechtervorstellungen reflektiert werden müssen, die Annahmen von Technik = männlich, Soziales = weiblich zur Disposition zu stellen sind und das Berufsbild der Softwareentwicklerin/ des Softwareentwicklers einem neuen beruflichen Selbstverständnis weicht. Hier führt sie die aktuelle Twitter-Kampagne #LookLikeAnEngineer als vorbildlich an.

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