Die Erfolgsgeschichte des ersten KI-Hackathons exklusiv für Frauen
Kenza Ait Si Abbou
(Deutsche Telekom AG)
Präsentation 15:15 – 16:15 Uhr
Kenza Ait Si Abbou ist Senior Managerin für Robotics and Artificial Intelligence bei der Deutschen Telekom in Berlin. Zu Beginn ihres Vortrags präsentierte sie eine Erkenntnis der AllBright-Stiftung: Es gib in Deutschland mehr Vorstandsvorsitzende, die Thomas oder Michael heißen, als Vorstandsvorsitzende, die Frauen sind (1). Das ist überraschend und schockierend. 2011 hat der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Thomas Sattelberger, eine Frauenquote für das Unternehmen beschlossen. Bis 2015 sollte das obere Management aus 30 % Frauen bestehen. Durch diese Entscheidung entstanden viele Initiativen, unter anderem Frauennetzwerke, die begannen, sich regelmäßig zu treffen. Es wurden Workshops und Seminare zu inhaltlichen Themen (z.B. Blockchain) organisiert, aber auch Abendveranstaltungen, um sich besser kennenzulernen und das Netzwerk zu stärken.
Schnell kooperierte das Frauennetzwerk der Deutschen Telekom auch mit anderen Frauennetzwerken aus anderen Unternehmen wie SAP, IBM und Volkswagen. Daraus entstand die Idee zu einem Meet-Up „Women in AI“, zu dem mehr als 60 Frauen kamen. Die meisten waren überrascht, wie viele Frauen es im Bereich KI gibt – viele kannten sich untereinander noch nicht und fühlten sich jeweils allein in einem männerdominierten Umfeld. Um das Thema weiter voranzutreiben, wurde beschlossen, einen Hackathon nur für Frauen auf die Beine zu stellen. An Hackathons nehmen oft hauptsächlich Männer teil und viele Frauen trauen sich nicht, mitzumachen. Nachdem Kenza Ait Si Abbou dafür Unterstützung im eigenen Unternehmen gewinnen konnte, hat sie über das Frauennetzwerk ein 30-köpfiges Team – darunter zwei Männer – für die Organisation zusammengestellt. Die Kommunikation und Koordination waren eine große Herausforderung, aber alle waren sehr motiviert und engagiert.
180 Frauen meldeten sich für den Hackathon an, aus Kapazitätsgründen konnten 120 angenommen waren. 52 Personen aus fünf verschiedenen Ländern nahmen letztendlich teil. Die Aufgabe bestand darin, Lösungen in einem der drei Themenbereiche „Mobility“, „Social Media“ und „Diversity“ zu entwickeln. Die Deutsche Telekom stellte Datensätze und Ideenanstöße zur Verfügung, ließ aber offen, wie diese verwendet werden sollten.
Das Feedback zum ersten KI-Hackathon nur für Frauen war sehr positiv, den meisten Teilnehmerinnen hat es großen Spaß gemacht. Auch die mediale Aufmerksamkeit war groß. Das Ziel war, Frauen zu ermuntern, weiterhin an Hackathons teilzunehmen – die Umfrage bestätigte, dass dies gelungen war. Die Teilnehmerinnen konnten außerdem neue Anregungen im Bereich KI mitnehmen und ihr Netzwerk erweitern. Der Austausch war für alle enorm wichtig und hat die eigene Motivation gestärkt. Eine Teilnehmerin hat Kenza Ait Si Abbou im Anschluss kontaktiert und berichtet, dass sie inspiriert wurde, ebenfalls einen Hackathon nur für Frauen zu organisieren. Auch das Gewinnerinnenteam hat im Anschluss in Kopenhagen ein Frauennetzwerk zum Thema KI gegründet. Weil das Format so erfolgreich war, wird es 2019 erneut durchgeführt (24. und 25. Oktober in Berlin). Der Teilnehmendenkreis wurde erweitert: Auch Männer dürfen sich anmelden; generell ist eine hohe Diversität (nicht nur bezogen auf Gender) herzlich willkommen.
Im Folgenden präsentierten drei Vertreterinnen des Gewinnerinnenteams, was sie im Laufe des Hackathons erarbeitet haben. Ausgangslage war die Beobachtung, dass im Recruitingprozess im KI-Bereich oft Männer ausgewählt werden und das Wissen über das Phänomen des Unconscious Bias. HR-Verantwortliche stellen oft Personen ein, die ihnen ähneln. Dabei ist es bekannt, dass diverse Teams dynamischer, innovativer und erfolgreicher sind und Unternehmen davon profitieren. Warum werden trotzdem kaum Frauen eingestellt? Was kann man tun, um diese Situation zu beeinflussen?
Sechs Frauen (und ein Baby) bildeten ein Team – das ist für einen Hackathon eine vergleichsweise große Gruppe. Die Teilnehmerinnen kannten sich vorher nicht und hatten verschiedene berufliche Hintergründe und Perspektiven auf das Thema. In 24 Stunden sollten sie gemeinsam eine Lösung entwickeln. Aus der gemeinsamen Arbeit standen zwei Produkte: eine Toolbox aus Vorschlägen, wie Vorurteile beim Bewerbungsprozess vermieden werden können, sowie eine Diversitätsmatrix.
Zunächst wurde der Recruitungprozess in vier Kategorien aufgeteilt: Zu Beginn steht das Verfassen einer Bewerbung auf der Seite der Kandidatin bzw. des Kandidaten und die Formulierung der Jobbeschreibung und der Anforderungen auf der Seite der HR-Abteilung. Die wichtigsten Aspekte werden zunächst abgeglichen. Danach stellt die für das Recruiting zuständige Person eine Vorauswahl zusammen und am Schluss steht die Auswahl.
Das erste Produkt setzt beim Bewerten der Bewerbungen an: Auch ohne die Information des Geschlechts können bei der HR-Person bestimmte Gedanken und Vorurteile durch gewisse Signale im Text entstehen. Durch eine maschinelle Verarbeitung von Textdaten, die von der Deutschen Telekom zur Verfügung gestellt wurden, wurden weiblich und männlich geprägte Begriffe identifiziert. Das Ergebnis war eine Liste, die HR-Verantwortlichen hilft, Begriffe zu vermeiden, durch die sich männliche Interessierte stärker angesprochen fühlen als weiblich: So solle beispielsweise der Begriff "knowledge" vermieden und "expertise" genutzt werden, oder "manage" durch "mentor" ersetzt werden.
Nachdem eine Vorauswahl getroffen wurde, gilt es, zu prüfen, wie der Diversitätsaspekt in die finale Entscheidung ins Spiel gebracht werden und das Mindset der Entscheiderinnen und Entscheider verändert werden kann. Die entwickelte Matrix macht Diversität auf verschiedenen Ebenen (Geschlecht, Alter, Nationalität, Bildungshintergrund) sichtbar. Dabei spielen zwei Variablen eine Rolle: Repräsentation (Beispiel: 2 von 2 Geschlechtern sind im Team vertreten) und Distribution (Beispiel: 1 Frauen vs. 9 Männer). Zunächst wird die Matrix mit den Daten des bestehenden Teams gefüttert, um dann erkennen zu können: Wie wird die Kandidatin bzw. der Kandidat das Team hinsichtlich Diversität beeinflussen? Sie ist also ein Werkzeug für Managerinnen und Manager, um eine bessere Entscheidung treffen zu können.
Diese Ideen wurden im Rahmen des Hackathons innerhalb von 24 Stunden entwickelt und im Ansatz in Code umgesetzt. Die Vertreterinnen des Gewinnerteams berichteten, dass sie ihren Interessen nachgehen konnten, viel Spaß hatten und Kontakte knüpfen konnten. Das Ziel des „Empowerments“ schien auf jeden Fall erreicht.
(1) siehe www.allbright-stiftung.de
GENDER//WISSEN//INFORMATIK" in den soziale Netzwerken